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Nicole Fischer - Expertin für Lernen und Familie

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In meinem Blog schreibe ich über die Themen Schule, Lernen und Familie. Sieh dich gern um. Über Kommentare und Anmerkungen freue ich mich!

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2024-10-18

Es ist alles so schrecklich … - Schütze dein Kind!

Ich möchte mich erstmal für den etwas reißerischen Titel zum heutigen Beitrag entschuldigen. Ich gebe zu, ich möchte viel Aufmerksamkeit für dieses Thema, das mir sehr am Herzen liegt.

Zunächst einmal: Ja, momentan ist vieles wirklich schlimm und teilweise nur schwer auszuhalten. Wir treffen mit großer Wucht auf Dinge, die – zumindest den meisten meiner Generation – bisher nur vom Hörensagen bekannt waren: Echte Existenzängste, extreme Überforderung im beruflichen wie privaten Bereich, Einsamkeit, Hilflosigkeit, Kontrollverlust.

Ja, manchmal möchte man schier verzweifeln, das geht mir auch so. Ich sehne mich nach „Früher“, nach Normalität, nach Umarmungen, dem Essengehen mit Freunden, danach, meine Schüler endlich alle wieder bei mir haben zu können, statt sie nur durch einen Bildschirm zu sehen.

Es ist unheimlich wichtig, sich den Frust mal von der Seele zu zu reden oder einfach über die Situation zu schimpfen, aber bitte: MACH DIES NICHT BEI DEINEM KIND!

Für Kinder (und nicht nur für die „Kleinen“) ist dies eine wirklich verstörende Zeit. Seit einem Jahr sind sie, mit teilweise kurzen Unterbrechungen, herausgerissen aus ihrem normalen Alltag. Sie können nicht mehr wie früher in den Kindergarten oder die Schule, sie sehen ihre Freunde, wenn überhaupt, nur noch über Whatsapp oder Zoom. Sportvereine sind zu, Freizeitparks, Skaterbahnen, nichts mehr da. Stattdessen Homeschooling unter teilweise sehr schwierigen Bedingungen.

Das alles wäre schon schlimm genug, aber da ist etwas, das noch viel schlimmer ist und ein Kind in seinen Grundfesten erschüttern kann: Es spürt, dass seine Eltern Angst haben. Es spürt, dass seine Eltern voller Wut sind. Das, was ihm in früheren Krisen immer Halt gegeben hat, scheint zu bröckeln – seine Eltern sind nicht mehr stark und haben die Situation nicht unter Kontrolle. Das macht schreckliche Angst.

Je jünger ein Kind ist, desto weniger kann es die Situation einschätzen. Als ich klein war, sah ich einmal in den Nachrichten, wie irgendwo eine Stadt bombardiert wurde. Ich hatte daraufhin unglaubliche Angst, weil ich davon überzeugt war, dass bei uns gleich das dasselbe passieren würde. Ich denke, dass vermutlich jedem so eine Begebenheit aus seiner Kindheit einfällt.

Verstehe mich nicht falsch: Es geht nicht darum, deinem Kind zu verschweigen, was los ist und auch nicht darum, so zu tun, als wäre alles gut. Kinder haben ein sehr feines Gespür dafür, wenn irgendetwas nicht stimmt. Es geht vielmehr darum, wie du ihm diese Situation vermittelst.

Stelle dir vor, du hast einen Arzttermin. Vor ein paar Tagen wurde dir Blut abgenommen und einige Tests gemacht und nun sollst du die Diagnose bekommen. Dein Arzt kommt herein, setzt sich, schaut dich mit sorgenvollem Blick an und sagt: „Also, die Ergebnisse sind wirklich sehr besorgniserregend! Das sieht wirklich alles überhaupt nicht gut aus! Es tut mir ja so leid! Da gibt es zwar diese Behandlungsmöglichkeit und es besteht auch eine Chance auf Heilung, aber man sollte ja nicht zu optimistisch sein.“

Wie gehst du da nach Hause? Was denkst du? Wärst du nicht am Boden zerstört und erstmal voller Angst und ohne Hoffnung?

Und jetzt noch einmal anders:

Du sitzt und wartest, dein Arzt kommt herein. Er lächelt dich an, dann sagt er: „Wir haben da etwas gefunden, das wir auf jeden Fall ernst nehmen müssen. Aber es gibt da diese Behandlungsmöglichkeit und eine reelle Chance auf Heilung. Wir nehmen das jetzt in Angriff und zusammen schauen wir, dass das so schnell wie möglich wieder in Ordnung kommt!“

Ja, du wirst immer noch besorgt sein und das ist klar, denn es ist etwas Bedrohliches in dein Leben eingebrochen. Aber du wirst vermutlich wesentlich optimistischer sein als bei Beispiel eins.

Und genau darum geht es: Sage deinem Kind ruhig, dass du auch manchmal überfordert bist und dass du manchmal auch Angst hast. Aber denke daran, dass dein Kind darauf angewiesen ist, dass du ihm auch Hoffnung vermittelst. Wenn du immer nur darüber schimpfst, wie schrecklich alles ist, wird dein Kind auch bald kaum noch Positives wahrnehmen können. Wenn dein Kind aber hört, dass du fest daran glaubst, dass alles wieder in Ordnung kommt, wird es selbst die Hoffnung nicht verlieren.

Als mein Vater mir damals erklärte, dass es so etwas wie Krieg zwar gibt, der aber ganz weit weg ist, war ich immer noch etwas besorgt, aber fühlte mich wieder sicher.

Um es nochmal zu wiederholen: Du musst nicht den ganzen Tag durch die Gegend tanzen. Und es ist wirklich wichtig, sich auch mal – sorry – auszukotzen. Aber tue das bitte bei einem Erwachsenen!

Solltest du niemanden haben, an den du dich wenden kannst oder bist du mit der Situation einfach überfordert, dann gibt es zum Beispiel die Telefonseelsorge, an die du dich wenden kannst. Unter der Nummer 0800/111 0 111 oder 111 0 222 hört dir jemand zu, das ist völlig anonym. Über die Homepage www.telefonseelsorge.de gibt es auch Mail- oder Chatberatung.

Für Kinder gibt es das Kinder- und Jugendtelefon: 0800/111 0 333, hier ist die Homepage über www.nummergegenkummer.de erreichbar.

Ich wünsche dir und deinem Kind jedenfalls, dass ihr ganz viel Schönes erlebt, auch – und besonders - in dieser Zeit!

Admin - 11:36:46 | Kommentar hinzufügen

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