2024-10-18

Kritzeln macht schlau

Vor einiger Zeit machte ich eine Entdeckung, die mich seitdem nicht mehr loslässt: Sketchnotes.

Sketchnotes sind gezeichnete Notizen. Mit einfachen Strichen und ohne jeden Anspruch auf Perfektion lassen sich so im Handumdrehen Zeichnungen für unzählige Anlässe erstellen. Ob als gezeichnetes Tagebuch, Notizen beim Seminar, aber auch als selbst gemachte Glückwunschkarte – Sketchnotes bieten unzählige Möglichkeiten. Gerade dadurch, dass sie keine formvollendeten Kunstwerke sind, haben sie einen ganz eigenen Charme, wie ich finde. Seit meinem ersten Webinar zu dem Thema bin ich im Sketchnotes-Fieber!

Was mich aber besonders freut: Die kleinen Zeichnungen lassen sich ganz großartig zum Lernen nutzen. Es ist schon lange bekannt, dass das Gehirn viel effektiver lernt, wenn ihm Informationen über verschiedene Kanäle zugeführt werden. Viele Kinder (und auch Erwachsene) lernen leichter, wenn sie Bilder dazu nutzen können. Ich habe den Einsatz von Sketchnotes nun bereits mehrfach während der Lerntherapiestunden ausprobiert und bin von den Ergebnissen ganz begeistert.

Da ist zum Beispiel Tim. Tim ist 12 und hat eine schwere Speicherschwäche. Dies hat zur Folge, dass er sich Vokabeln und deren Schreibung nur sehr schwer merken kann. Mit seinem Lehrer haben wir vereinbart, dass er jede Woche nur eine Handvoll neue Vokabeln zum Lernen bekommt. Aber auch diese wenigen Vokabeln waren für ihn schwer zu bewältigen. Sah er sie nur schwarz auf weiß in seinem Heft, konnte er sie fast nie richtig abspeichern. Ich wusste bereits, dass er sich bildliche Darstellungen viel besser merken konnte als Geschriebenes – was lag da näher, als auch die Vokabeln bildlich darzustellen? Hier kommen die Sketchnotes ins Spiel: Wir gestalten seitdem Lernposter, bei denen wir die Vokabeln mit Zeichnungen ergänzen.

Ich habe das Gefühl, dass schon das Zeichnen und das Nachdenken darüber, wie sich die Zeichnungen in die Wörter einbauen lassen,  ganz viel dazu beitragen, dass Tim die Vokabeln viel besser abspeichern kann. Da diese Methode bei Tim so gut funktioniert, haben wir beschlossen, in einigen Wochen keine Poster mehr zu gestalten, sondern ein Vokabelheft anzulegen und die Anzahl der Vokabeln langsam zu erhöhen.

Dann ist da noch Klara. Klara geht in die vierte Klasse und sie hasst Textaufgaben. Sie kann zwar aus dem Zusammenhang entnehmen, wonach gefragt ist, hieraus jedoch eine Rechenaufgabe zu „basteln“ fällt ihr sehr schwer. Oft setzte sie alle vorkommenden Zahlen einfach irgendwie zu einer Aufgabe zusammen, damit sie überhaupt etwas im Heft stehen hatte. Bearbeiteten wir die Aufgaben zusammen, so gelang die Lösung ihr meist recht gut, wenn sie sie jedoch allein rechnen sollte, funktionierte es einfach nicht. Ich zeichnete ihr daraufhin eine „Textaufgaben-Schatzkarte“, die den Weg zur Lösung für sie strukturiert.

Eine Karte hängt nun über ihrem Schreibtisch, eine haben wir verkleinert und in ihr Matheheft geklebt. Natürlich macht Klara auch jetzt noch hin und wieder Fehler bei den Textaufgaben, allerdings hat sie die Panik davor verloren, weil sie nun etwas hat, an dem sie sich orientieren kann und das ihr damit Sicherheit gibt. Wenn etwas den Schrecken verloren hat, ist es viel einfacher zu bewältigen.

Dies sind nur zwei Beispiele, wie ich die Sketchnotes in der Lerntherapie nutze. Es gibt jedoch unzählige Möglichkeiten, durch Zeichnungen das Lernen zu vereinfachen. Und das Tolle ist: Jeder kann das tun! Natürlich müssen es keine Sketchnotes sein. Doch die kleinen Zeichnungen haben mich überzeugt, weil sie so schön einfach und schnell zu gestalten sind. Vor allem sind sie auch für Menschen geeignet, die von sich sagen, dass sie nicht zeichnen können (ich war eine von ihnen, ich weiß, wovon ich spreche … 😉).

Ich danke dir fürs Lesen. Wenn du Fragen oder Anregungen haben solltest, so schreibe gern in die Kommentare oder schicke mir eine Nachricht. Auch Sprachnachrichten sind wie immer herzlich willkommen!